Die Bundesregierung hat am 16.08.2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz) beschlossen. Oberstes Ziel ist die Stärkung des deutschen Finanzstandorts durch ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Beispielsweise ist geplant, den Kapitalmarktzugang für Start-ups und Wachstumsunternehmen durch die Senkung des Mindestbetrags für die voraussichtliche Marktliquidität bei einem Börsengang von derzeit EUR 1,25 Mio. auf EUR 1 Mio. zu erleichtern. Zudem soll die Finanzmarktaufsicht durch den Abbau von Digitalisierungshemmnissen und die Zulassung einer englischsprachigen Kommunikation weiter modernisiert werden.
Darüber hinaus sind folgende steuerpolitische Anpassungen vorgesehen:
Steuerbefreiung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen
Derzeit ist der Vorteil des Arbeitnehmers aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen in Form von Aktien oder GmbH-Anteilen am Unternehmen des Arbeitgebers steuerfrei, wenn sich dieser insgesamt auf nicht mehr als EUR 1.440 pro Kalenderjahr beläuft (vgl. § 3 Nr. 39 EStG).
Mit Wirkung ab dem Jahr 2024 soll dieser Betrag auf EUR 5.000 angehoben werden. Allerdings sind solche Vermögensbeteiligungen, soweit der Vorteil EUR 2.000 im Kalenderjahr übersteigt, nur dann steuerfrei, wenn die Beteiligungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Damit sind reine Entgeltumwandlungsmodelle und die Umsetzung von Matching-Plänen (Finanzierung der Vermögensbeteiligung durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer) nur in begrenztem Umfang möglich.
Die übrigen Anforderungen gem. § 3 Nr. 39 EStG an das Beteiligungsprogramm gelten unverändert fort. Die Steuerfreiheit tritt insbesondere nur dann ein, wenn die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen.
Nach geltender Rechtslage können über § 3 Nr. 39 EStG steuerlich begünstigt überlassene Vermögensbeteiligungen vom Arbeitnehmer ohne Verlust der Steuerfreiheit unmittelbar nach der Überlassung veräußert werden, da es keine gesetzlichen Sperr- bzw. Haltefristen gibt. Um dem entgegenzuwirken, sollen die steuerfreien geldwerten Vorteile zukünftig nicht zu den Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gehören, wenn die Vermögensbeteiligung innerhalb von drei Jahren veräußert oder unentgeltlich auf einen Dritten übertragen wurde (vgl. § 20 Abs. 4b EStG n.F.). Im Ergebnis wird dann Abgeltungsteuer i.H.v. 25 % nicht nur auf einen etwaigen Veräußerungsgewinn, sondern auch auf den bisher steuerfrei belassenen Lohnanteil erhoben.
Sondervorschrift für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermögensbeteiligungen
Werden einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber (= Kleinstunternehmen sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU-Unternehmen)) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Vermögensbeteiligungen in Form von Aktien oder GmbH-Anteilen am Unternehmen des Arbeitgebers unentgeltlich oder verbilligt übertragen, unterliegen die daraus resultierenden geldwerten Vorteile im Zeitpunkt der Übertragung zunächst nicht der Einkommensbesteuerung (vgl. § 19a EStG). Die Besteuerung erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich bei einer Verfügung (insbesondere beim Verkauf), der Beendigung des Dienstverhältnisses oder spätestens nach zwölf Jahren. Unabhängig von der aufgeschobenen Besteuerung wird der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG bereits vorab berücksichtigt.
Die Regelungen in § 19a EStG haben das Ziel, KMU-Unternehmen durch Verbesserung der Mitarbeitergewinnung und -bindung zu fördern und zudem die sog. Dry-Income-Problematik für die Arbeitnehmer zu entschärfen. Beides soll mit vorliegendem Gesetzentwurf ausgeweitet werden:
- Die Förderung kann weiterhin nur gewährt werden, wenn bestimmte Schwellenwerte nicht überschritten wurden. Künftig ist jedoch nicht mehr auf den einfachen, sondern betreffend den Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme auf den doppelten KMU-Schwellenwert und betreffend die Anzahl der beschäftigten Personen auf den vierfachen KMU-Schwellenwert abzustellen. Die Unternehmen dürfen danach bis zu 999 Mitarbeiter beschäftigen und dürfen einen Jahresumsatz von höchstens EUR 100 Mio. oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 86 Mio. erzielen. Zudem wird die zeitliche Komponente des Schwellenwerts bisher von zwei Jahren auf sieben Jahre erweitert.
- Der maßgebliche Gründungszeitraum des Unternehmens soll von derzeit zwölf auf künftig zwanzig Jahre vor dem Beteiligungszeitpunkt ausgeweitet werden.
- Die Besteuerung des geldwerten Vorteils aus Vermögensbeteiligungen soll künftig erst (spätestens) nach zwanzig Jahren erfolgen. Die Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts soll auch für Vermögensbeteiligungen gelten, die vor dem Jahr 2024 übertragen werden bzw. wurden. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses und einem damit verbundenen Rückerwerb der Anteile soll für die Besteuerung nur die tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütung maßgeblich sein. Dies soll ebenfalls für Vermögensbeteiligungen gelten, die vor dem Jahr 2024 übertragen werden bzw. wurden. In beiden Fällen soll insgesamt keine Besteuerung mehr stattfinden, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt.
Steuerbefreiung für sog. INVEST-Zuschüsse
Aus öffentlichen Kassen gezahlte Zuschüsse für den Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft i.H.v. 20 % der Anschaffungskosten, höchstens EUR 100.000, sind steuerfrei, sofern die gesetzlich definierten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 3 Nr. 71 Buchst. a) EStG).
Daneben ist auch der sog. Exit-Zuschuss anlässlich der gewinnbringenden Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft steuerbefreit (vgl. § 3 Nr. 71 Buchst. b) EStG), wenn
- der Veräußerer eine natürliche Person ist,
- der veräußerte Anteil frühestens drei Jahre und spätestens zehn Jahre nach Anteilserwerb veräußert wurde,
- der Veräußerungsgewinn mindestens EUR 2.000 beträgt und
- der Zuschuss auf 80 % der Anschaffungskosten begrenzt ist.
Es ist vorgesehen, dass bereits für den Veranlagungszeitraum 2023 die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 71 EStG an jene der mit Wirkung zum 06.02.2023 in Kraft getretenen INVEST-Förderrichtlinie (Förderrichtlinie zur Bezuschussung von Wagniskapital privater Investierender für junge innovative Unternehmen) angepasst werden, sodass insbesondere bzgl. des Erwerbszuschusses die ggf. nicht der Steuerbefreiung unterliegende Lücke wegfällt und bzgl. des Exit-Zuschusses eine Begrenzung auf 25 % der Investitionssumme festgelegt wird.
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll die noch schwach ausgeprägte Aktienkultur in Deutschland weiter gefördert werden. Dabei sind insbesondere die geplanten Neuregelungen zu Mitarbeiterkapital-/Vermögensbeteiligungen sehr erfreulich. Wir werden die weitere Entwicklung des Gesetzesvorhabens beobachten.